Der Verlauf des Abwassers durch das Klärwerk
Täglich 70 Millionen Liter Abwasser - und wie es wieder sauber wird
Von rund 187.000 Einwohner**innen der Stadt Gießen und den Umlandgemeinden fließen täglich rund 70 Millionen Liter Abwasser (= jährlich 25 Milliarden Liter, Stand: 2023) durch 500 Kilometer Abwasserkanäle zum Gießener Klärwerk. Dieses sollte im besten Fall ausschließlich Abwasser aus Toiletten, Duschen, Waschmaschinen und sonstigen Ausgussbecken beinhalten. Jedoch wird die Toilette oder das Spülbecken oft als Mülleimer benutzt. So landen neben einem Gemisch aus Seife, Urin und Kot, auch flüssige Stoffe, wie zum Beispiel Farbreste, Nagellackentferner und Medikamente oder feste Stoffe wie Wattestäbchen, Feuchttücher und Windeln im Klärwerk. Das stellt ein großes Problem dar: für alle Lebewesen, für die Kanäle und für die Kläranlage. Es ist enorm wichtig, Abfälle korrekt zu entsorgen. Wir alle müssen das kostbare Gut „Wasser“ schützen und dürfen darin keine Schadstoffe einbringen.
So wird das Abwasser wieder gereinigt:
MECHANISCHE REINIGUNG
In der Rechenanlage werden Grobstoffe (z.B. Feuchttücher, Windeln etc.) mittels dreier Lochrechen herausgesiebt. Das mit Fäkalien vermischte Rechengut wird in Rechengutpressen weiterbehandelt und einer geeigneten Entsorgung (Verbrennung) zugeführt. Jedes Jahr fallen rund 1.200 Tonnen Rechengutabfall an.
In dem sich anschließenden belüfteten Sandfang wird der sich am Boden absetzende Sand aus dem Abwasser entfernt. Der Sand wird mit einem Räumschild und sogenannten Mammutpumpen (Luftheberpumpen) aus dem Becken entfernt, anschließend gereinigt und als mineralischer Wertstoff weitergenutzt. Neben der Entfernung des Sandes werden hier schwimmfähige Partikel wie Fette und Öle aus dem Abwasser entfernt. Diese werden in den Faultürmen des Klärwerks weiterbehandelt und zu energiereichem Faulgas umgewandelt.
Nach dem Sandfang durchfließt das Abwasser drei Vorklärbecken. Bei geringer Fließgeschwindigkeit können sich die noch ungelösten Schmutzstoffe absetzen oder aufschwimmen. Mit Hilfe von sogenannten „Räumerbrücken“ wird dieser Klärschlamm (= Primärschlamm) in einen Trichter geschoben und von dort über den sogenannten Voreindicker in einen der drei Faultürme gepumpt.
BIOLOGISCHE REINIGUNG
Das bis hierhin mechanisch gereinigte Abwasser und der Rücklaufschlamm aus den Belebungsbecken werden in diesem Mischbecken mit Rührwerken vermischt um einen homogenen Zustand zu erzeugen. Das unbelüftete (anaerob = ohne Sauerstoff) Mischbecken ist eine Vorstufe für die biologische Phosphatentfernung.
Die acht Belebungsbecken sind in unbelüftete und belüftete Zonen durch Wände unterteilt. Zahllose Mikroorganismen, wie Bakterien, Ein- und Mehrzeller, etc., (= Belebtschlamm) nehmen die organischen Schmutzstoffe als Nahrung auf, wachsen und wandeln diese durch ihre Stoffwechseltätigkeit teilweise in CO2 um. Da die Mikroorganismen für ihre Lebensprozesse Sauerstoff benötigen, muss immer ein genügend hoher Sauerstoffgehalt in den Belebungsbecken vorherrschen. Durch Belüfterplatten am Beckenboden wird Druckluft, und somit Sauerstoff, in die Belebungsbecken eingebracht. Die Druckluft wir in der Verdichterstation erzeugt. In einem mehrstufigen Prozess werden Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphatverbindungen aus dem Abwasser entfernt.
Das Abwasser-Klärschlamm-Gemisch aus den Belebungsbecken wird nach der biologischen Reinigung in die fünf Nachklärbecken geleitet. Durch das Absetzen des Klärschlammes am Grund der Nachklärbecken, werden gereinigtes Abwasser und Klärschlamm voneinander getrennt. Das klare, gereinigte Abwasser wird der Lahn zugeleitet. Der Klärschlamm wird teils als Rücklaufschlamm über das anaerobe Mischbecken in die Belebungsbecken zurückgeführt. Der durch das Bakterienwachstum entstandene Klärschlamm (= Überschussschlamm) gelangt nach einer mechanischen Entwässerung in die Faultürme.
KLÄRSCHLAMMBEHANDLUNG UND GASVERWERTUNG
Der im Reinigungsprozess angefallene organische Klärschlamm (Primär- und Überschussschlamm) wird in die Faultürme gepumpt und anschließend bei ca. 38° C anaerob stabilisiert (ausgefault). Dabei entsteht ein methanhaltiges Faulgas. Mit diesem entstehenden Faulgas werden die drei Blockheizkraftwerke (BHKW) betrieben welche thermische und elektrische Energie erzeugen. Unter anderem wird daraus die Energie für die Verdichterstation (Druckluft für die Belebungsbecken) verwendet. Die erzeugte Energie wird darüber hinaus auf dem Klärwerk selbst genutzt und für die Abwasserreinigung verwendet.
Der ausgefaulte Klärschlamm wird maschinell auf einen mittleren Feststoffgehalt von 27 % in einer Zentrifuge entwässert. Anschließend wird der entwässerte, ausgefaulte Klärschlamm in die Verbrennung verbracht. Jedes Jahr fallen rund 12.000 Tonnen Klärschlamm an.
Mit dem anfallenden Faulgas werden drei Blockheizkraftwerke (BHKW) betrieben, die elektrische und thermische Energie erzeugen Die dabei anfallende Abwärme wird für die Beheizung der Faulbehälter und der Gebäude am Klärwerk verwendet. 2023 wurden die Anlagen auf Energieeffizienz optimiert und der elektrische Wirkungsgrad wurde verbessert.
Stand: 2024